Kaum ein Thema hat die Reutlinger Presse so bewegt, wie das Integrationskonzept. Wirklich? Leider wohl eher nicht. Vielmehr war es ein kleiner Punkt, der die Presseberichterstattung dominierte: Der nicht beschlossene eine Sitz als beratender Sitz im Verwaltungs- Kultur- und Sozialausschuss (VKSA). Und an diesem einen Punkt wurde dann alleine meine SPD-Fraktion aufgehängt.
Warum hat nun der große Teil der SPD an diesem Punkt nicht mitgestimmt und den (schon im Vorfeld angekündigten) Rücktritt von Teilen des Ausländerrates in Kauf genommen? Diese Antwort will ich an dieser Stelle nochmals geben, da ich der Meinung bin, dass auch unangenehme Entscheidungen nach außen transparent vertreten werden sollten.
Wichtigstes Ergebnis des Integrationskonzeptes ist, dass Integration eine Querschnittsaufgabe ist und dass alle Politikbereiche davon betroffen sind. Zweite Erkenntnis ist, dass das Thema Integration spätestens seit den durch Rot-Grün ausgelösten Veränderungen im Staatsbürgerschaftsrecht nicht mehr an der Staatsbürgerschaft festgemacht werden kann. Und dritte Erkenntnis ist, dass es eine Veränderung in der politischen Steuerung der Integrationspolitik geben muss.
Aus diesen Gründen hat die SPD für eine massive Ausweitung des passiven und aktiven Wahlrechts für den Integrationsrat plädiert, so dass die Staatsbürgerschaft für die Mitgliedschaft im Integrationsrat nicht mehr von Belang ist. Zudem hat sie die Initiative der Grünen von Anfang an unterstützt, den Arbeitskreis Integrationsleitlinien näher an die politischen Gremien der Stadt zu binden. Und drittens hat sie beantragt, dass die Integrationsräte zukünftig sachkundige Bürger in alle Ausschüsse der Stadt entsenden. Dieses Recht war bisher eine schwammige Formulierung, die weder gelebt noch eingefordert wurde. Wer aber Integrationspolitik als Querschnittsthema sieht, muss auch in allen Politikbereichen eine Mitsprache einräumen.
Aus dieser Beschlusslage ergibt sich für die Verwaltung, in Zukunft jede Vorlage darauf abzustimmen, ob Integrationsthemen betroffen sind. Ähnlich wie eine Beteiligung der Fachausschüsse und der Bezirksgemeinden geprüft wird. Eine gewaltige Aufgabe für die Verwaltung. Aber ein berechtigtes Paket.
Vor diesem Hintergrund und dieser Konzeption hat sich dann eine große Mehrheit im Gemeinderat – und in der SPD-Fraktion – dagegen ausgesprochen, dem Ausländerrat einen ständigen Sitz in einem Ausschuss zu gewähren. Man mag den Räten vorwerfen, sie hätten unsensibel gehandelt. Man kann jedoch auch die Frage stellen, ob angesichts der vielen Fortschritte, die das Integrationskonzept darstellt, das Beharren der bisherigen Sprecher des Ausländerrates, verbunden mit einer ultimativen Rücktrittsankündigung, auf diesem einen Punkt, ein Beweis für Politikfähigkeit darstellt.
Für die, die sich nun damit beschäftigen, ob Sie in Zukunft ein Teil des Integrationsrates werden wollen, bleibt festzuhalten: In Sachen Beteiligung und politischer Breite hat sich ein großer Schritt in die richtige Richtung getan. Wer in Zukunft Mitglied in diesem Gremium sein wird, kann sicher sein, in vielen Feldern der Reutlinger Politik ein gefragter Ansprechpartner zu sein.
Meint
Sebastian Weigle
Update: Nachdem auch in der Presse mein Eintrag hier gewürdigt wurde, nochmals einige Gedanken dazu: Keiner der Ausländerräte hat aufgrund meines Artikels seinen Rücktritt erklärt und keinesfalls geht es mir um das „Nachkarten“, wie mir als Motiv unterstellt wird. Vielmehr habe ich in diesem Artikel nochmals aufgearbeitet, was denn die Linie der SPD war – frei nach dem Motto, dass erklärungsbedürftige Sachverhalte auch einer Stellungnahme bedürfen.
Und ich denke auch, man sollte als kommunalpolitischer Mandatsträger seine Gedankengänge deutlich machen, die einem in Nachhinein beschäftigen. Ich habe im obigen Artikel selbstkritisch die Frage gestellt, ob die Gemeinderäte sensibel genug waren, vermutlich waren sie das nicht. Vielleicht haben sie auch zu lange im Ausländerrat signalisiert, dass alle ihre Vorschläge mitgetragen würden, obwohl schon lange klar war, dass dies nicht der Fall sein wird. Andererseits habe ich auch kritisch deutlich gemacht, dass die Frage, ob ein Rücktritt angemessen ist, auch gestellt werden kann. Mir geht es nicht um Nachkarten, es geht um das Lernen aus diesen Geschehnissen. Und um es deutlich zu sagen: Ich hätte mir gewünscht, dass die Aktivposten in diesem Rat kritisch-konstruktiv dabei geblieben wären.

