Industrie- und Handelskammer (IHK) Reutlingen
Präsident Herr Eberhard Reiff
Hauptgeschäftsführer Dr. Wolfgang Epp
Hindenburgstr. 54
72762 Reutlingen
Steuerpolitik – Ein offener Brief
Sehr geehrter Herr Reiff,
sehr geehrter Herr Epp,
in einem Schreiben Mitte Dezember haben sie sich als Repräsentanten der IHK erneut in Sachen kommunaler Steuerpolitik laut und deutlich zu Wort gemeldet. Der Tenor – welch Überraschung – ihres Schreibens: „Um alles in der Welt nur keine Gewerbesteuererhöhung zu dieser Zeit“. Dies stellen sie in einen Zusammenhang mit der Wirtschaftslage, geben den Kommunen den guten Rat, mit der Haushaltskonsolidierung bei der Ausgabenseite zu beginnen und weisen darauf hin, dass die IHK ihren Mitgliedsbeitrag stabil gehalten hätte.
Lassen Sie mich einige Gedanken zu Ihrem Appell loswerden und die eine oder andere Frage in diesem Zusammenhang stellen:
Die Gewerbesteuererhöhung und die derzeitige Situation
Sie schreiben, dass eine Erhöhung der kommunalen Steuer in der derzeitigen Situation das letzte sei, was die Wirtschaft brauchen könne. Nachdem ich nun seit über fünf Jahren als Stadtrat dabei bin, habe ich mehrere Anläufe miterleben dürfen, die Gewerbesteuer in die Mitte aller Hebesätze zu bringen. In der aufblühenden Konjunktur sollte sie unverändert bleiben, da sie sonst die Konjunktur abwürgen würde, in der Hochphase war eine Anpassung nicht opportun, da die Einnahmesituation zu gut sei. Da stelle ich mir vielleicht nicht zu unrecht die Frage, sehr geehrte Herren: In welcher Situation ist denn eine Anpassung angebracht?
Sie führen aus, dass in Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise die Unternehmen immer noch leiden. Unbestrittene Tatsache ist jedoch, dass die Gewerbesteuer keine Substanz- sondern Ertragssteuer ist (und die wenigen Ausnahmen, wurden im Zuge des Konjunkturpaketes atomisiert). Also zahlt ein Unternehmen, das unter der Finanz- und Wirtschaftskrise leidet, keine Gewerbesteuer. Darf man da die Frage stellen, ob sie die Krise nicht als Totschlagargument benutzen, sehr geehrte Herren?
Ach ja, habe ich da etwas verpasst, oder geht die Bemessung der Steuerpflicht eines Unternehmens nicht von einem durchschnittlichen Hebesatz von 380 Punkten aus? Oder um es anders zu sagen, schenken Gemeinden wie Reutlingen, Metzingen, Pfullingen und andere ihren ortsansässigen Unternehmen damit nicht noch Geld? Darf man das eine Streusubvention nennen?
Kommunen und Haushaltskonsolidierung
Sehr geehrter Herr Reiff, sehr geehrter Herr Epp, im Weiteren führen sie an, dass Haushaltskonsolidierung bei den Ausgaben anfange. Das setzen sie gerne in die Welt, aber was sind denn die möglich zu kürzenden Ausgaben? Vielleicht die Ausgaben für die Bildung und Betreuung? Oder die Ausgaben für die Existenzgründungen und die Technologieförderung? Oder die Investitionen? Oder vielleicht doch eher die Ausgaben für die sozial Schwachen oder für Menschen mit Behinderung?
Lassen Sie mich dazu zwei Anmerkungen machen. Erstens: Die Kommunen haben zumindest hier in der Region Personal abgebaut, Ausgaben auf den Prüfstand gestellt und konsolidiert. Jedes Mehr bedeutet Substanzverlust. Wollen Sie das? Zweitens: Die Kommunen sind der wichtigste Auftraggeber der Bauwirtschaft. Die Forderung, an die Ausgaben zu gehen, bedeutet also nichts anderes, als Stellung beziehen gegen Straßenbauer, Ingenieurbüros, Hochbauunternehmen. Werden diese nicht mehr von der IHK vertreten?
Die Rolle der IHK
Sie führen beispielhaft die Rolle der IHK an, die beschlossen hat, die Mitgliedsbeiträge (die Steuer für alle Unternehmen) stabil zu halten. Interessant wäre es, zu vergleichen, wann die IHK das letzte Mal die Beiträge erhöht hat und dagegen die Gewerbesteuerentwicklung der Kommunen in unserer Region zu halten…
Sie schließen in ihren Pressestatements, dass sie sich ja nicht in die inneren Angelegenheiten der Kommunen einmischen zu wollen. Wie mir scheint, beherzigen sie das nur insofern, dass sie zwar allgemein Forderungen erheben, ohne zu sagen wem es weh tun soll. Eigentlich haben ja einschlägige Gerichtsurteile dem Meinungsdrang der Kammern enge Grenzen gesetzt, diese sind ja Anstalten des öffentlichen Rechts, aber das nur am Rande.
Ich selber will mich natürlich nicht in die inneren Angelegenheiten der IHK in der Region einmischen, aber wenn es um die Fragen der Unternehmensbelastung geht, vielleicht einen Vorschlag: Werden sie innovativ! Beenden sie einfach die Zwangsmitgliedschaft der Unternehmen. Dann können die selber entscheiden, ob das Investment für sie lohnend ist. Und auch, ob sie sich von ihnen vertreten fühlen. Die Unternehmen am Bau könnten da zweifeln.
Nun wünsche ich ihnen, Herr Reiff und Herr Epp, ein erfolgreiches Jahr 2010 und freue mich auf das eine oder andere Zusammentreffen und Diskussion.
Herzlichst grüßt
Sebastian Weigle
Stadtrat


Lieber Herr Weigle,
super Analyse. Endlich mal jemand der sich von den Kammerfunktionären nicht einschüchtern lässt.
Bleibt zu ergänzen, dass die IHK trotz Krise ihre Beiträge nicht senkt. Selbst in der Krise macht sie Rückstellungen für Beitragsschwankungen – paradox.
Viele Grüße
Lora Kammer
Sehr geehrter Herr Weigle,
bei Twitter stieß ich auf Ihren Offenen Brief, welchen Sie am 10. Januar an die IHK in Reutlingen schrieben!
Siehe: http://twitter.com/ihkalo
Auch ich empfinde Ihr Schreiben als äußerst brilliant geschrieben!
Insbesondere auch deshalb, weil und wie Sie den führenden IHK-Leuten empfehlen: „sie sollten mal innovativ werden! Und einfach mal die Zwangsmitgliedschaft der Unternehmen beenden.“
Ihnen wäre ich sehr verbunden, wenn Sie Ihre persönliche Meinung zu dieser vollkommen überflüssigen Zwangsmitgliedschaft nun auch einmal bei http://www.kammerwatch.de öffentlich kundtun könnten bzw. auch würden!
Herrn Frank Lange, den Betreiber und Chefredakteur von kammerwatch.de erreichen Sie mit FL@kammerwatch.de
Mit besten Grüßen nach Reutlingen
Heinrich Vetter (AG Kammerboykott / siehe: http://www.kammerboykott.com)
Strümper Str. 23
40670 Meerbusch
Tel.: 02159 – 23 88
Fax: 02159 – 5 11 88
Mobil: 0151 – 52 00 11 91
heinrich.vetter@vetter-metallwaren.de
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